Der Rechnungshof überprüfte von Oktober bis Dezember 2010 die Gebarung des Bundesministeriums für Inneres (BMI) hinsichtlich des IT-Projektes PAD (Protokollier-, Anzeigen- und Datenmodul). Der Prüfungszeitraum erstreckte sich von April 2001 (Beginn des IT-Projektes) bis zur Zeit der Überprüfung durch den Rechnungshof mit dem Ziel, den Projektablauf, die technische Realisierung, die Zielerreichung und die Kosten zu prüfen.
Der “frische” Rechnungshofbericht in dieser Sache enthält erstaunliche Details. Vergabe an einen einzigen Auftraggeber, keine Marktanalyse alternativer Anbieter, Kostenabschätzungen, fehlende Kosten-Nutzen-Rechnung,…
Hier die auszugsweise einige Passagen aus dem Bericht.
[…] Für das in dem gesamten Bereich der Exekutive eingesetzte elektronische Protokollierungs– und Aktenverwaltungssystem PAD vergab das BMI zwischen 2002 und 2010 insgesamt 38 Einzelaufträge zur
Programmierung im Gesamtumfang von 3,8 Mill. EUR an ein und dasselbe Unternehmen. Die Vergaben erfolgten ohne Ausschreibung und Wettbewerb. Prüfungen der finanziellen Angemessenheit der Angebote dieses alleinigen Bieters unterblieben. Die gesamten Ausgaben für die Programmierung und Wartung der PAD–Software sowie die Beschaffung der PAD–Server beliefen sich von Projektbeginn 2001 bis Oktober 2010 — ohne die vom BMI nicht erfassten internen Personalkosten — auf rd. 7,21 Mill. EUR. Eine mehrjährige Budgetplanung sowie ein Kostencontrolling fehlten. Die operativen Ziele des IT–Projekts wurden im Wesentlichen erreicht; die IT–Applikation PAD unterstützte den Ablauf der polizeilichen Erhebungen und dessen Protokollierungen. […]
[…] Zunächst programmierte ein beauftragtes Unternehmen ein Grundmodul mit einem Auftragswert von rd. 108.000 EUR, das in der Folge durch mehrere Ausbaustufen erweitert wurde. Ein Gesamtkonzept sowie Kostenabschätzungen, Kosten–Nutzen–Betrachtungen und Abschätzungen der aufzuwendenden internen Personalkosten fehlten. Das BMI holte sowohl für diese Entwicklung (Programmierung) des Grundmoduls als auch für dessen Upgrade nur jeweils ein Angebot einer einzigen Unternehmung ein und prüfte zudem nicht dessen Preisangemessenheit. Eine Marktanalyse betreffend andere Softwareentwicklungsunternehmen als alternative Anbieter wurde nicht vorgenommen. Nach Abschluss des Grundauftrags und dessen Upgrade (in Summe vier Einzelaufträge im Gesamtwert von rd. 0,8 Mill. EUR) erfolgte die Weiterentwicklung zwischen 2005 und 2010 im Wege von 34 Aufträgen (im Gesamtwert von rd. 3 Mill. EUR) an immer dasselbe Unternehmen. Eine Übersicht über jährlich inhaltlich und kostenmäßig bewertete Anforderungen lag nicht vor; Planungen über den jeweiligen Einzelauftrag hinaus wurden nicht erstellt. Die Definition der Anforderungen zu den genannten Aufträgen erfolgte weitgehend mündlich (durch den Projektleiter bzw. das Projektteam) im Rahmen von Workshops mit dem Unternehmen. Dieses arbeitete nachfolgend entweder das Pflichtenheft aus und legte hiezu ein Angebot oder definierte die Leistungserbringung im Ange-bot selbst. Das Vergaberecht sieht hingegen vor, dass Unternehmer, die an der Erarbeitung der Ausschreibungsunterlagen beteiligt waren, von der Vergabe auszuschließen sind, sofern auf deren Beteiligung in begründeten Ausnahmefällen nicht verzichtet werden kann. Die Angebote waren überwiegend Pauschalangebote ohne weitere Aufschlüsselung des Preises.[…]
[…] Ein Gesamtkonzept einschließlich Kostenabschätzungen bzw. Kosten–Nutzen–Betrachtungen fehlte und weder eine über die Einzelaufträge hinausgehende Planung noch eine Übersicht über jährlich inhaltlich und kostenmäßig bewertete Anforderungen lagen vor. Eine Überprüfung der finanziellen Angemessenheit der Angebote des einzigen Bieters — bspw. mittels funktionaler Verfahren — erfolgte nicht. Die Aufträge zur Weiterentwicklung wurden jeweils einzeln im Ver-handlungsverfahren mit diesem Bieter vergeben. Diese Vorgangsweise, ein Verhandlungsverfahren mit nur einem Unternehmen, war nur dann zulässig, wenn nur dieses Unternehmen die Vorausset-zungen für die Leistungserbringung, z.B. besondere technische Fähig-keiten und Erfahrungen, erfüllte. Da die im BMI eingesetzten Softwareplattformen aber marktgängige Produkte beinhalteten, wären nach Ansicht des RH auch andere Softwareentwicklungsunternehmen geeignet gewesen, die Leistungen zu erbringen. Dadurch fehlte sowohl der preisreduzierende Mechanismus eines zweistufigen Verhandlungsverfahrens mit mehreren Bietern als auch ein Vergleich unterschiedlicher technischer Lösungsansätze. Damit verzichtete das BMI darauf, das einer Ausschreibung innewohnende Potenzial — nämlich die (möglicherweise noch nicht bekannte) wirtschaftlichste Lösung zu finden — auszuschöpfen. Die ab 2006 vergaberechtlich zulässige Möglichkeit des Abschlusses eines Rahmenvertrags, um die Kontinuität der Entwicklung sicherzustellen, wurde nicht genutzt. […]
Hier der Link zum vollständigen Bericht.